Altertumskommission untersucht Migration in der Archäologie
Waren Westfalen immer so bodenständig und heimatverbunden, wie es Ihnen der Dichter Heinrich Heine nachsagte? Sind sie vielleicht sogar stur und rückständig, wie sie der weltgewandte französische Philosoph Voltaire sah?
Ausgehend von dieser für Archäologen sehr jungen Sichtweise hat sich die Altertumskommission für Westfalen in Kooperation mit der LWL-Archäologie für Westfalen auf die Suche nach Belegen für Migration und Mobilität in Westfalen gemacht. Der Weg führt zurück bis in die älteste Urgeschichte des Menschen und zeigt, dass diese Phänomene keine modernen Erscheinungen sind: Die Menschheit hat den größten Teil ihrer Geschichte als nicht sesshafte Jäger und Sammler erlebt und blieb auch später in Bewegung.
Diese Geschichte lässt sich heute mit modernen naturwissenschaftlichen Methoden verfolgen. Archäologen können so nicht nur fremde, weit gereiste Gegenstände sondern auch fremde Menschen selbst identifizieren: Zähne, häufig die einzigen Überreste ur- und frühgeschichtlicher Bestattungen in den sandigen Böden Westfalens, geben durch Strontium-Isotopen-Analysen Auskunft über die Herkunft der Menschen bzw. zeigen, wo sie aufgewachsen sind.
Die aktuelle Serie „Migrationsarchäologie“ im Westfalenspiegel verfolgt die Spuren der ur- und frühgeschichtlichen Migranten in Westfalen. Der erste Beitrag mit dem Titel „Der erste Westfale war ein Afrikaner“ (Heft 1/2018) thematisiert den Weg des Homo erectus von Afrika nach Europa. Sein Nachfahre, der Neandertaler war vor etwa 300.000 Jahren der erste Europäer. Seine Knochen sind auch in Westfalen gefunden worden. Vor etwa 40.000 Jahren kommt – wieder aus Afrika – der Homo sapiens, der moderne Mensch. Der zweite Beitrag „Westfalens erste Revolution“ (Heft 2/2018) zeigt, dass Sesshaftigkeit und die Einführung von Ackerbau und Viehzucht durch Einwanderer aus dem Vorderen Orient in der Jungsteinzeit (ab ca. 5.400 v. Chr.) nach Westfalen kam.
Im Verlauf des Jahres 2018 informiert die Serie über die gesellschaftliche Differenzierung und Fernkontakte durch den Zugang zum Metall in der Bronzezeit (ab ca. 2.200 v. Chr.) und über Westfalen als Kontaktzone zwischen Kelten und Germanen in der vorrömischen Eisenzeit (ab ca. 800 v. Chr.). In den beiden letzten Teilen tritt Westfalen ins Licht der (Migrations-)Weltgeschichte: Mit den Römern kamen um Christi Geburt nicht nur Migranten in Uniform, sondern auch Händler und Handwerker, die sich im Umfeld der Militärlager niederließen. Neben Bodenfunden berichten auch antike Geschichtsschreiber von den römischen Bemühungen, hier Fuß zu fassen. Mit der Völkerwanderungszeit, jenen Jahrhunderten vom ausgehenden 4. bis zum Ende des 6. Jahrhunderts, endet der Überblick. Die historische Benennung kennzeichnet sie bereits als Migrationsepoche, in der ganz Europa von der Mobilität seiner Bevölkerung geprägt war.
(Text: K. Niederhöfer).