Knochenarbeit

15.10.2018 Lea Kopner

Auf Millimeterpapier werden maßstabsgetreue Profilzeichnungen angefertigt (Foto: Altertumskommission für Westfalen/L. Klinke).

Studierende untersuchen Großsteingrab

Auf einer windigen Anhöhe bei oft drückender Hitze verbrachten sechs Wochen lang insgesamt 16 Studierende unter der Leitung von Leo Klinke M.A. ihre Semesterferien damit, ein überdimensionales Schachbrettmuster in die steinharte Erde eines kargen Feldes zu graben. Warum tut man so etwas?

Junglandwirt Clemens Schulte war mit seinem Pflug über einen Findling gestolpert, der auf dem Feld eigentlich nichts zu suchen hatte. Schon 1985 war hier ein Findling entdeckt und entfernt worden, der heute die Dorfmitte von Wewelsburg ziert. Familie Schulte informierte die Bodendenkmalpfleger aus Bielefeld und die reagierten schnell: Eine Probeuntersuchung rund um den frisch angekratzten Findling legte nahe, dass hier ein etwa 5000 Jahre altes Megalithgrab liegen könnte.

Sven Spiong, Leiter der Außenstelle Bielefeld, regte daraufhin ein Kooperationsprojekt an und stieß auf offenes Interesse. An der Uni Münster (Abt. für Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie/ Prof. Ralf Gleser, Dr. habil. Valeska Becker) wurde eine Lehrgrabung in den Plan genommen, die Altertumskommission stellte ihr Know-How zu Megalithgräbern samt Experten Leo Klinke zur Verfügung, die Stadt Büren sorgte für den Baggereinsatz sowie wichtige Einrichtungen der archäologischen Baustelle und die LWL-Archäologie führte die Fachaufsicht, schickte zeitweise Ute Koprivc als Grabungstechnikerin zur Grabung und stellte Grabungsgerät bereit.

Schon bevor der Bagger kam, war der Fundort genau lokalisiert. Beim maschinellen Aufziehen der obersten Erdschicht waren dann die Umrisse des Grabes zu sehen. Um die einzelnen Schichten während der Grabung optimal dokumentieren zu können, wurde die Fläche schachbrettartig in Quadranten unterteilt, die zunächst versetzt tiefergelegt wurden. Schnell kamen erste Knochen und Reste der einstigen Grabkammer in Form von verstürzten und zerbrochenen Kalksteinplatten zutage.

Lea Kopner, studentische Volontärin bei der Altertumskommission für Westfalen, verbrachte im September eine Woche auf der Grabungsfläche statt im Büro:

„Als mir Leo Klinke mitteilt, dass ich ihn während meiner Woche auf der Grabung drei Tage als Grabungsleitung vertreten werde, wird mir etwas mulmig zumute. Es ist schließlich eine Lehrgrabung der Uni Münster, die Grabungshelfer sind zum großen Teil meine Kommilitonen. Zum Glück ist noch Ute Koprivc vor Ort und übernimmt die Grabungstechnik, die halbe Grabungsleitung traue ich mir schon eher zu.

Am Ende sind meine Sorgen völlig unberechtigt, denn schon am zweiten Tag der Kampagne sind die Studenten ein eingespieltes Team und alles läuft wie am Schnürchen. Im Laufe der Kampagne soll ein langer Schnitt quer durch das Grab entstehen, zur besseren Dokumentation werden nacheinander einzelne Quadranten ergraben. In Zweier- oder Dreierteams werden für jedes Planum die gleichen Schritte durchlaufen: Quadrant ausnehmen, putzen, einmessen, fotografieren, zeichnen.

Ein Quadrant liegt mitten in der Grabkammer, gefühlt im Minutentakt müssen Knochenfunde eingemessen werden. Zunächst ist die Begeisterung groß, doch aus den anderen Quadranten kommen zunehmend neidische Blicke. Denn außerhalb der Grabkammer und auf Höhe der Wände geht die Zahl der Funde gegen null, dafür müssen umso mehr Steine vorsichtig umgraben werden, was im durch die pralle Septembersonne steinharten Boden kein leichtes Unterfangen ist.

Dennoch bleibt die Stimmung gut, denn mit jedem Planum wird der Gesamtbefund besser erkennbar. Ein intaktes Galeriegrab sehen schließlich auch Archäologie-Studenten nicht alle Tage. Nicht nur die Grabungshelfer sind fasziniert: regelmäßig kommen interessierte Bewohner der umliegenden Ortschaften vorbei, um den Fortschritt der Grabung mitzuverfolgen- allen voran die Grundstücksbesitzer, die uns mehrmals wöchentlich besuchen.“

Mittlerweile ist in Wewelsburg nichts mehr von einer Grabung zu sehen, doch unsere Arbeit ist noch nicht vorbei. Im Büro stapeln sich kistenweise Funde und warten auf ihre Bearbeitung. Die Knochenfunde werden in Goslar anthropologisch untersucht werden, die Bodenproben gehen zur paläobotanischen Untersuchung an ein Labor in Köln. Auch Zeichnungen und Fotos müssen ausgewertet werden. Über die genauen Forschungsergebnisse der Grabung wird im Winter an dieser Stelle weiter berichtet werden.

(Text: L. Kopner).

  • Das harte Erdreich war scheinbar nicht für alle ein Problem (Foto: Altertumskommission für Westfalen/L. Kopner).

  • An sonnigen Tagen muss der Boden ständig feucht gehalten werden, da man ihn im trockenen Zustand kaum bearbeiten kann (Foto: Altertumskommission für Westfalen/L. Klinke).

  • Vor Beginn der eigentlichen Grabung wird zunächst der Findling freigelegt. Er dient später als Fixpunkt für das Nivelliergerät (Foto: Altertumskommission für Westfalen/V. Brieske).

  • Nachdem der Bagger die oberste Erdschicht entfernt hat, wird das erste Planum in Handarbeit geputzt (Altertumskommission für Westfalen/L. Klinke).

  • In den ersten Wochen der Grabung war auch Prof. Ralf Gleser der Abteilung für Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie der Universität Münster unterstützend vor Ort (Altertumskommission für Westfalen/L. Klinke).

  • In mühevoller Feinarbeit werden einzelne Knochen freigelegt (Altertumskommission für Westfalen/L. Klinke).

  • Alle Funde werden eingemessen und mit Fundzetteln versehen (Foto: Altetrumskommission für Westfalen/L. Klinke).

  • Mitte September reicht das Wetter von dichtem Nebel… (Foto: Altertumskommission für Westfalen/L. Klinke).

  • …bis zu strahlendem Sonnenschein (Foto: Altertumskommission für Westfalen/L. Klinke).

  • Vom Windrad aus können wir die Grabungsfläche auch aus der Luft betrachten (Foto: R. Letkemann).

  • Mit tatkräftiger Unterstützung von Familie Schulte kann schließlich der Findling geborgen werden (Foto: Altertumskommission für Westfalen/L. Klinke).

  • Pünktlich zur öffentlichen Grabungsführung am Ende der Kampagne wird der Querschnitt des Grabes erkennbar (Foto: WWU Münster/P. Ellinghoven).

  • Zum Fotografieren werden die Quadranten mithilfe einer Plane beschattet (Altertumskommission für Westfalen/L. Klinke).