Das inoffizielle Grabungstagebuch

08.10.2020 Annemarie Reck

Die Kleinen Sloopsteene in Lotte-Halen. (Foto: Altertumskommission/L. Klinke)

...der Forschungsgrabung an den Kleinen Sloopsteenen

Den Kleinen Sloopsteenen in Halen wurde bisher kaum Beachtung geschenkt. Wieso die Kleinen besuchen, wenn man sich auch die Großen Sloopsteene im benachbarten Wersen anschauen kann? Auch in der Forschung wurde das jungsteinzeitliche Großsteingrab bisher recht stiefmütterlich behandelt. Nun soll es jedoch mit einigen weiteren megalithischen Anlagen Westfalens als „Weg der großen Steine“ an die niedersächsische Straße der Megalithkultur angeschlossen und somit, als Teil der Kulturstraße „Megalithic Routes“, mit ganz Europa vernetzt werden. Doch was schreibt man auf die Infotafeln, wenn bisher kaum etwas über dieses steinzeitliche Grabmal bekannt ist? Es mussten endlich Erkenntnisse über die Kleinen Sloopsteene her! Deshalb wurde der Altertumskommission genehmigt eine kleine Ausgrabung an dem eingetragenen Denkmal vorzunehmen. Das hieß für uns VolontärInnen unter der Leitung von Leo Klinke: „Spaten und Kelle in die Hand und ab ins Feld!“

Grabungsleiter Leo begutachtet sichtlich zufrieden die Fortschritte am Grabungsschnitt 1. (Foto: Altertumskommission/ A. Reck)

Montag 07. September 2020

Voller Tatendrang gingen wir daraufhin ans Werk. Um das Großsteingrab so wenig wie möglich zu beschädigen, wurden innerhalb der Grabanlage zunächst nur zwei kleine 50 x 50 cm großen Schnitte angelegt, die unsere „Fenster in die Vergangenheit“ sein sollten. Im äußersten Randbereich, nahe der Straße, dort wo der Abraumhaufen des Grabhügels vermutet wurde – denn die Steine sind erst in den vergangenen Jahrhunderten freigelegt worden und waren ursprünglich von einem Hügel bedeckt gewesen – wurde zudem ein großflächigerer, rechteckiger Schnitt angelegt. Damit uns in dieser Sanddüne auch kein Fundstück entgeht, das womöglich sogar datierbar wäre, wurde eine alte Schaukel kurzerhand zum Sieb umgebaut und jeder volle Eimer wurde aufmerksam durchgeschaut. Beim Oberbodenabtrag kamen unterhalb des Schokoriegelverpackungshorizontes, nebst zahlreichen zu Bruch gegangenen Bierflaschen, auch echte Flugzeugwracks zutage…

Dienstag 08. September 2020

Am zweiten Grabungstag hieß es vor allem im Längsschnitt weiter Abtiefen. Die sandigen Schichten wurden dabei zunächst immer feiner – dadurch jedoch auch sehr staubig, besonders beim Sieben. Darum galt es nach dem Auskippen der Eimer erst einmal auf Sicherheitsabstand zu gehen, bis sich die Wolke gelegt hatte und dann den Sand vorsichtig mit der Kelle über das Gitter ziehen und bloß nicht am Sieb rütteln! Belohnt wurde dieser Fleiß allerdings zusehends mit mehreren kleinen Flintabschlägen oder –trümmern. Doch dann stießen wir auf Ortstein. Dieser stark eisenhaltige untere Bodenhorizont von Podsol verhärtet sich durch die nach unten ausgewaschenen Mineralien zu Gestein. Mit einem scharfen Spaten und ungebrochenem Forschergeist musste jedoch auch diese Schicht weichen. Auch an den kleinen Schnitten waren wir bis dahin nicht untätig. Während eines der kleinen „Fenster“ heute erst von unserer Studentischen Volontärin Lea begonnen wurde, entpuppte sich das andere bereits mehr und mehr als ein „Fass ohne Boden“. 

Mittwoch 09. September 2020

Im großen Längsschnitt musste auch am dritten Grabungstag nochmal flächig tiefer gegraben werden. Denn für die Dokumentation ist es wichtig, dass auch diese Schicht im Profil deutlich erkennbar ist. Und zwar so tief, bis kein Ortsstein mehr vorhanden ist und sich flächig die unterste gelbe Sandschicht ohne Störung zeigt. Auf diese Weise können wir als ArchäologInnen sicher sein, dass alles darunter in natürlichen Prozessen, ohne Einfluss des Menschen entstanden ist. Derweil hing unser Volontär Florian plötzlich schon kopfüber in seinem kleinen Schnitt. Jedes Mal, wenn er glaubte, er wäre endlich unten angelangt, bewegte sich plötzlich ein Stein – oder der Grabungsleiter kratzte im Sand und es wurde offenbar, dass der Boden immer noch nicht erreicht war. Unter einem solchen Kalkstein, einst vermutlich Teil des Zwickelmauerwerkes zwischen den Großsteinen und nach innen verstürzt, kam es unverhofft zu einem Sensationsfund: Knochen!  Normalerweise ist eine Knochenerhaltung über so viele Jahrtausende im sauren Sandboden nicht möglich. Doch aufgrund des darüber liegenden Kalksteinbrockens wurde beständig Kalk nach unten gewaschen und so konnte sich der Knochen erhalten. Florians voller Körpereinsatz wurde also belohnt. Anhand des Knochenmaterials hoffen wir das Grab mittels Radiokarbonmethode datieren zu können.

Donnerstag 10. September 2020

Am Nachmittag erwarteten wir nicht nur die Presse, sondern auch Megalithik-Begeisterte Kollegen und Kolleginnen aus der Archäologie. Zuvor mussten die Profile des langen Schnitts nochmals mit Schaufeln abgestochen und mit der Kelle fein herausgeputzt und chic gemacht werden. Nicht nur für unsere späteren Besucher, sondern auch für die fotografische Dokumentation. Außerdem kann durch das Erstellen zahlreicher Fotos aus verschiedenen Perspektiven mittels Fotogrammmetrie am Ende ein digitales Geländemodell der Grabungsschnitte angefertigt werden. Während die beiden kleineren Schnitte bis zur untersten gelben Sandschicht abgetieft und geputzt werden mussten, wurde außerdem ein neuer dritter kleiner Schnitt dort angelegt, wo Grabungsleiter Leo den äußeren Steinring vermutete. Nach nur wenigen Zentimetern kam bereits eine einzelne verzierte Randscherbe eines Gefäßes der Trichterbecherkultur (TBK) zutage. Diese gehörte zu einem größeren Gefäßrest, der etwas tiefer neben den Resten des Zwickelmauerwerkes aus Kalkstein auflag. Anhand des typischen Musters der Verzierung können Experten der TBK eine chronologische Datierung vornehmen und das Gefäß einer Entwicklungsstufe innerhalb der Kultur zuordnen.

Freitag 11. September 2020

Am Freitag musste abschließend noch einmal mit Kelle und Pinsel jeder Schnitt und jedes Profil feinsäuberlich geputzt werden, bevor die Schnitte ein weiteres Mal fotografisch dokumentiert und eingemessen wurden. Dabei war vor allem Teamarbeit gefragt. Denn um störenden Schattenwurf an einem so schönen und sonnigen Tag zu vermeiden, mussten mit vereinten Kräften große Planen gehalten werden. Ebenso musste allerhand Geäst und Gestrüpp, das die Messungen stören könnte, aus dem Weg gehalten werden – was oft gar nicht so einfach war, wie es klingen mag. Am Ende kam die anstrengendste Arbeit von allen: alles musste so gut wie möglich in den ursprünglichen Zustand zurückversetzt werden. Sämtliche gefühlten hundert Kubikmeter Sand, die wir durchgesiebt und auf einem Abraumhaufen gelagert hatten, mussten wieder umgelagert, die Schnitte wieder zugeschüttet werden. Doch als ArchäologInnen haben wir zum Glück keine Scheu uns die Hände schmutzig zu machen. Am Ende konnten bei dieser recht kurzen Grabung weitaus mehr Daten gesammelt werden, als wir zu Beginn gehofft hatten. Neben datierbaren Keramik- und auch Knochenfunden, konnten außerdem wichtige Informationen bezüglich des architektonischen Aufbaus des Grabmals gesammelt werden. Außerdem konnte mithilfe des Längsprofils des langen Schnitts nachvollzogen werden welche Bodenbewegungen in den letzten Jahrtausenden an den Kleinen Sloopsteenen stattgefunden hatten. Die Grabung war somit also ein voller Erfolg.

(Text: A. Reck)

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