Archäologisches Wandern

07.06.2021 Ulrike Steinkrüger

Brombeeren am Wegesrand auf der 13 Kilometer langen Rundwanderung (Nr. 10) um die Düwelsteene in Heiden (Foto: U. Steinkrüger).

Teil 3: Auf die Plätze, fertig, los – die Praxis

Endlich konnte es richtig losgehen! Nun begann die schönste Phase des Projektes: Das Abwandern der zuvor am PC konzipierten Wanderwege. Bewaffnet mit ausgedrucktem Kartenmaterial, Fotoapparat und Diktiergerät machte ich mich auf die Wege. Dies zog sich bis in den Herbst, so dass ich die Natur zu allen „wanderschönen“ Jahreszeiten mitbekam. Vom frühen Ginster bis in die Pilzsaison war ich fast jede Woche unterwegs. Besonders schön war die Zeit der reifen Brombeeren – ich bin kaum vorangekommen, so herrlich war das Naschen am Wegesrand.

Hierbei wurde mir klar, wie unauffällig und versteckt einige unserer Bodendenkmäler sind und dass viele unscheinbare Erhebungen und Senken sicherlich auch Ansässigen nicht zwingend als Hinterlassenschaften aus der Ur und Frühgeschichte bekannt sind. Dies ist z. B. sicherlich bei einigen Landwehrabschnitten, Mergelgruben und Grabhügeln der Fall. Viele davon werden nur bei genauem Hinschauen sichtbar. So konnte ich der LWL-Archäologie sogar einige Grabhügel melden, die noch nicht in der Fundpunktdatenbank verzeichnet waren. Andere Relikte bleiben im Sommer unter Brombeeren und anderem Bewuchs verborgen und sind nur im Digitalen Geländemodell (DGM) sichtbar. Daher beschloss ich, im Buch an vielen Stellen DGMs abzubilden und diese Methode auch in einem der geplanten Exkurse zu erklären.

Das sogenannte Rondeelken der Oldenburg bei Laer wird auf der 24,5 Kilometer langen Wanderung 4 umrundet (Foto: U. Steinkrüger).

Die meisten meiner Ideen gingen direkt auf und erwiesen sich auf Anhieb als wunderschöne Wandertouren. Nur für vier Strecken musste ich ein zweites Mal los, um eine Alternativroute zu testen. Etwas verzweifelt war ich allerdings bei meinem Versuch nach dem wundervollen Weg von Laer an der Oldenburg vorbei nach Horstmar, einen ansprechenden Rückweg zu finden. Nachdem ich in mehrere Sackgassen geraten und drei Hundeangriffen entkommen war, bin ich bedröppelt an der stark befahrenen Landstraße ohne Seitenstreifen zum Auto zurück. Aber auch hier habe ich nachher zum Glück noch eine gute Lösung gefunden. Zwar hatte ich genau für solche Fälle noch zwei zusätzliche Tourenvorschläge als Joker in der Tasche, aber Wandernden die Oldenburg bei Laer nicht zeigen zu können wäre ein harter Schlag für mich gewesen, schließlich gehört die gut erhaltene Wallanlage zu den größten und bedeutendsten Burgen des frühen Mittelalters im Münsterland.

Bei einer anderen Wanderung stellte es sich als Glücksfall heraus, dass sie nicht so funktionierte, wie ich mir das anhand der Karten zuvor überlegt hatte. In Telgte erwies sich die Emsbrücke, die ich nutzen wollte, als nicht für Fußgänger geeignet. Über die nächste, weit entfernte Brücke würde die Wandertour viel zu lang werden. Also hieß es noch einmal komplett umdenken. Die neu entwickelte Runde bezieht weiterhin die archäologischen Besonderheiten innerhalb des Emsauenparks mit ein, macht aber auch einen Rundweg durch die Klatenberge, in denen Wandernde nicht nur Grabhügel und einen alten Straßendamm entdecken, sondern sich auch innerhalb eines Areals mit unter Naturschutz stehender Wacholderheide in alte Zeiten zurückversetzen lassen können. Landschaftlich und archäologisch eine Verbesserung gegenüber der Vorversion.

  • a)        Die Wacholderheide in den Klatenbergen bei Telgte (Foto: U. Steinkrüger).

  • b)       Einige Grabhügel sind sehr gut im digitalen Geländemodell (DGM) sichtbar (Kartengrundlage: Land NRW [2020] – Lizenz dl-de/zero-2-0).

  • c)    In der Natur sind die Grabhügel für aufmerksame Wandernde ebenfalls erkennbar (Foto: U. Steinkrüger).

Ein absolutes Rätsel gab mir nahe der Telgter Motte eine im DGM deutlich sichtbare und eindeutig menschengemachte, dreigliedrige Struktur auf, zu der ich auf Anhieb keinerlei Informationen fand. Sie sah entfernt aus wie eine Burganlage, aber war viel zu klein. Eine Kinderburg? Was mochte sich dahinter verbergen? Sie musste neuer sein, denn auf Karten und Luftbildern taucht sie erst Ende der 1980er-Jahre auf. Der Heimatverein legte sich mächtig ins Zeug, konnte aber auch nichts herausbekommen. Antwort erhielt ich nach einiger Zeit von der Stadt: Hier befand sich in den 1980er-Jahren eine BMX-Anlage (für die jüngeren Leser:innen: BMX sind kleine, sportliche Fahrräder, mit denen nicht nur gefahren wurde). Die Stadt war damals allerdings ihrer Zeit voraus und die Anlage wurde nicht gut genutzt. Nun soll sie tatsächlich reaktiviert werden. Vermutlich sind die darauf wachsenden Sträucher bereits dafür gerodet.

Mittig im DGM ist die moderne BMX-Anlage sichtbar, rechts davon der Hügel der mittelalterlichen Telgter Motte (Kartengrundlage: Land NRW [2020] – Lizenz dl-de/zero-2-0).

Das Abgehen der Wanderwege hat mir unheimlich viel Spaß gemacht und ich habe sehr viel dabei gelernt. Zudem hatte ich sehr oft tolle Begegnungen mit anderen Menschen, mit denen ich ins Gespräch gekommen bin. Dazu gehören eine 84-jährige Frau, die jeden Tag ihre feste 40-Kilometer-Runde mit dem Fahrrad fährt und ein älterer Herr, der in seinem Vorgarten arbeitete, als ich vorbeikam und dort so interessante große Steine (sie stellten sich als Schlacken heraus) stehen hatte, dass ich ihn darauf angesprochen habe. In dem daraus resultierenden Gespräch berichtete er mir von zwei bisher unbekannten Großsteingräbern, deren Abbruch er im Rahmen des Straßenbaus noch mitbekommen hatte. So klein ist die Welt!

Schockierend war für mich die Erkenntnis, wie viele archäologische Denkmäler inzwischen deutliche, von Freizeitsportler:innen hervorgerufene Erosionsschäden aufweisen. Ob es nun die Haskenau in Münster, die Hünenburg bei Stadtlohn, die Landwehr zwischen Havixbeck und Tilbeck, die Motte in Telgte oder den Max-Clemens-Kanal bei Emsdetten betrifft, fast auf jeder meiner Touren traf ich auf die typischen Zerstörungsspuren. Dies bestärkte mich in dem Vorhaben, mit dem Wanderführer für dieses Thema zu sensibilisieren, auf diese Hinterlassenschaften hinzuweisen und so hoffentlich zu ihrem Schutz beizutragen.

Die mittelalterliche Landwehr zwischen den Kirchspielen Havixbeck und Nottuln ist beliebtes Ziel von Mountainbiker:innen und Reiter:innen (Foto: U. Steinkrüger).

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