Hier bleibt kein Stein auf dem anderen

21.01.2021 Florian Jüngerich

Die Baumaßnahmen an den Düwelsteenen 1932 (Foto: Kreisarchiv Borken).

Über die virtuelle Rekonstruktion der Düwelsteene in Heiden

Das Megalithgrab „Düwelsteene“ bei Heiden sieht beeindruckend aus, ist aber in der 1930er Jahren so stark verändert worden, dass eine wissenschaftliche Rekonstruktion des Bauzustands erschwert ist. Deswegen muss erst einmal der Originalzustand der Zeit davor wiederhergestellt werden – und das geht heutzutage glücklicherweise ohne substanzgefährdende Maßnahmen rein virtuell.

  • Archivbilder der Rekonstruktion 1932 (Foto: Kreisarchiv Borken).

  • Archivbilder der Rekonstruktion 1932 (Foto: Kreisarchiv Borken).

Dazu wurde zunächst ein 3D-Model des heutigen Zustandes der Grabanlage mittels SfM (Structure-from-Motion) erstellt. Dabei werden die einzelnen Steine aus unterschiedlichen Richtungen fotografiert und diese Aufnahmen im Anschluss mit entsprechender Software zu einem Modell zusammengebaut. Wichtig für den weiteren Verlauf der Rekonstruktion ist hierbei, dass die Steine jeweils einzeln als Modell vorliegen und daher eigenständig bewegt und gedreht werden können. 

  • Screenshot vom digitalen Modell des heutigen Zustands mit den Kamerablickwinkeln (Dreiecke), die auf den eingesendeten alten Fotografien zu sehen sind (Foto: Altertumskommission/Jüngerich).

  • Screenshot vom digitalen Modell des heutigen Zustands (Foto: Altertumskommission/Jüngerich).

Für den nächsten Schritt wurde im Rahmen eines Citizen-Science-Projektes die Unterstützung der Heidener Bürgerinnen und Bürger angefragt und um Bilder aus der Zeit vor den „Baumaßnahmen“ an den Düwelsteenen gebeten. Mithilfe von eingesendeten alten Fotografien wird nun – soweit möglich – der Zustand von vor der Neuanordnung wiederhergestellt. In einer Datenbank werden alle bekannten Informationen – Fotograf, Aufnahmedatum, usw. – eingepflegt und auch die Richtung der Aufnahme vermerkt. Diese Blickrichtungen der Kameras werden im Anschluss in das 3D-Modell eingebaut, um anhand der alten Kameraperspektiven die Einzelsteine entsprechend anzuordnen und zu drehen.

  • Links die Düwelsteene im ursprünglichen Erhaltungszustand; rechts das digitale Modell der heutigen Rekonstruktion (Screenshot: Altertumskommission/Jüngerich).

  • Im Abgleich mit dem alten Foto werden die Steine im Modell nun langsam in ihre ursprüngliche Erhaltungsposition gedreht (Screenshot: Altertumskommission/Jüngerich).

  • Die Bilder die im Rahmen des Citizen Science Projektes eingereicht wurden, helfen dabei den ursprünglichen Zustand der Steine zu rekonstruieren (Screenshot: Altertumskommission/Jüngerich).

Diese Arbeit benötigt relativ viel Zeit und ein gewisses Maß an räumlichem Denkvermögen und Konzentration. Zunächst muss identifiziert werden, welcher Stein auf den Fotografien welchem Stein der heutigen Grabanlage entspricht. Im Anschluss daran wird im Quervergleich mit verschiedenen Aufnahmen, auf denen der identifizierte Stein abgebildet ist, zunächst die ursprüngliche Position und dann die ursprüngliche Ausrichtung des Steins so gut wie möglich wiederhergestellt. Je mehr Ablichtungen des Steins vorhanden sind, desto exakter kann also die frühere Lage des Steins rekonstruiert werden. Allerdings ist der Quervergleich der einzelnen Fotografien dann auch deutlich langwieriger. Oft kommt es daher vor, dass der Stein einige Millimeter um eine der drei Achsen (X, Y und Z) gedreht wird, bevor er später wieder in anderer Weise bewegt werden muss. Zusammenfassend kann man also nicht „mal eben mit ein paar Steinchen jonglieren“ (Zitat aus meiner WG).

Die Nutzung neuer Technologien bietet große Vorteile für die Archäologie: Mit ihrer Hilfe lassen sich sogar tonnenschwere Findlinge mit leichten Fingerbewegungen am Computer bewegen. Das Projekt ist ein Paradebeispiel dafür, dass Archäologen nicht nur Erde bewegen, sondern auch zunehmend mit digitalen Methoden arbeiten.

Die Arbeit an der Rekonstruktion schreitet übrigens mit großen Schritten voran: Es ist bereits etwa ein Drittel der Megalithanlage in den Zustand von vor 1932 zurückversetzt.

  • Orthofoto und Seitenansicht Düwelsteene, mit Hilfe des Image-Based-Modeling-Verfahrens digital erstellt (Grafik: Altertumskommission/Klinke u. Richters).

  • Die ersten Fortschritte der digitalen Rekonstruktion (Screenshot: Altertumskommission/Jüngerich).

  • Die ersten Fortschritte der digitalen Rekonstruktion (Screenshot: Altertumskommission/Jüngerich).

Blogbeitrag: Die Heidener und ihre Düwelsteene